Die Herausforderungen für den Einzelhandel bleiben trotz der jüngsten Krisen – Corona, Krieg, Inflation – weiter wichtig. Nur eine genaue Datenanalyse kann eine moderne Customer Journey mit enger Kundenbindung gestalten.
Der Einzelhandel macht bewegte Zeiten durch. Nicht nur die Transformation hin zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind große Herausforderungen für den Handel. In jüngster Zeit haben die Covid-19-Pandemie, Produktions- und Lieferkettenstörungen, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die in der Folge massiv steigende Inflation den Handel belastet.
Die jüngsten Konjunkturprognosen für Deutschland verheißen nichts Gutes: Auch 2023 dürfte die Inflation noch auf einem relativ hohen Niveau bei um die sechs Prozent liegen. Erst im kommenden Jahr wird mit einer Besserung gerechnet. Das bedeutet für den Einzelhandel, weiter mit stärker steigenden Kosten konfrontiert zu sein. Kundinnen und Kunden dürften sich angesichts angespannter Realeinkommen in Konsumzurückhaltung üben.
In einer aktuellen Studie beleuchtet das Handelsblatt Research Institute (HRI) zusammen mit dem Einzelhandelsdienstleister Alida die Trends im Handel und die Herausforderungen, vor der Einzelhandelsunternehmen stehen.
Die Customer Experience im Omni-Channel
Im Zentrum steht die Customer Experience. Mehr als jede:r zweite Konsument:in macht die Kaufentscheidung von der Qualität des Kundenerlebnisses abhängig. Dies zeigte eine Studie der Business School der Stellenbosh University. Zugleich steigen laut Bruce Richards, Handelsexperte bei Adobe, die Anforderungen der Kund:innen an dieses Kundenerlebnis immer weiter.
Zudem nutzen Kundinnen und Kunden zunehmend unterschiedliche Kanäle für ihren Einkauf. Die Zeiten, als es für das Einkaufserlebnis allein auf das Ladengeschäft ankam, sind vorbei. Online, conversational, mobile, stationär, social und auch Metaverse - alle diese Kanäle werden schon heute für den Einkauf genutzt.
Dabei zeigt der Adyen Retail Report 2022, dass mehr als 60 Prozent der Verbraucher:innen auch in Zukunft flexible und kanalübergreifende Einkaufsmöglichkeiten erwarten. Der passende Ansatz dafür ist Omni-Channel, bei dem die verschiedenen Kanäle gleichzeitig und nahtlos verknüpft sind. Daten von McKinsey zeigen, dass Konsument:innen im Omni-Channel 1,7-mal mehr einkaufen als Konsument:innen bei einem Kanal.
Social Commerce bei Jüngeren beliebt
Gerade jüngere Konsument:innen nutzen zunehmend mobile Kanäle und soziale Plattformen für den Einkauf. Beim Social Commerce werden spezielle Shopping Funktionen in Social-Media-Kanäle integriert. Beispiele sind Facebook Shop, Instagram Shop, Pinterest Shopping oder TikTok. Derzeit ist China einer der größten Märkte für Social Commerce. Dabei gehört die Plattform Douyin, die chinesische Version der Kurzvideo-App TikTok, zu den bekanntesten Social Commerce Anbietern.
Ohne Nachhaltigkeit geht nichts mehr
Neben einer vollständig digitalisierten Customer Experience ist aber auch Nachhaltigkeit weiterhin ein Megatrend. Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten achten vermehrt auf Nachhaltigkeitsaspekte. Produkte und Dienstleistungen sowie das gesamte Unternehmen müssen in ökologischer und sozialer Hinsicht nachhaltig sein, damit sie sich dafür entscheiden. Ausgangspunkt dafür ist ein grundsätzlicher Wandel in der Lebenseinstellung. Dies kommt auch in einer Studie des Handelsblatt Research Institute zusammen mit Accenture und Amazon aus dem Jahr 2022 zum Ausdruck. Von den 2.020 Anfang September befragten Personen gaben nur ungefähr neun Prozent an, dass ökologische Nachhaltigkeit bei ihnen im Konsum keine Rolle spielt. Mehr als 90 Prozent achten beim Einkauf auf Nachhaltigkeit.
Doch Kundinnen und Kunden werden nicht nur immer anspruchsvoller, sie erwarten auch eine zunehmende Personalisierung und Individualisierung bei Produktpräsentation und Kund:innen-Ansprache. Lassen sich Unternehmen auf die vielfältigen Möglichkeiten einer individualisierten Kundenansprache ein, profitieren sie von einer erheblich höheren Kundenbindung.
Nur Daten ermöglichen Personalisierung
Entscheidende Grundlage dafür sind allerdings Daten. Damit die Unternehmen individuell auf die Kund:innen eingehen können, müssen sie wissen, was – im Idealfall – jede Einzelne beziehungsweise jeden Einzelnen ausmacht. Kundendaten liegen allerdings oftmals in den Unternehmen noch in Silos verteilt und nur in eher heterogener Form vor. Verbesserung beim Datenmanagement sind notwendig. Darüber hinaus können Unternehmen künstliche Intelligenz nutzen, um aus den großen Datenmengen passende Erkenntnisse zu erhalten.
Das McKinsey Global Institute schätzt, dass Händler mit Data Analytics ihre operative Marge um mehr als 60 Prozent steigern können. Nicht nur deshalb besitzen Daten und deren Analyse – Data Analytics –für Handelsunternehmen bereits heute eine große Bedeutung, die noch weiter zunehmen wird. Eine Herausforderung ist dabei, dass die Sammlung der Kundendaten angesichts einer zunehmenden Kanalanzahl immer aufwändiger wird. Die Kund:innen lassen sich nicht mehr so einfach tracken als in zu früheren Zeiten.
Dazu kommen immer größere Datenmengen, die ohne neue Methoden nicht beizukommen ist. Eine Grundlage für die Analyse ist Künstliche Intelligenz (KI). KI-Lösungen unterstützen dabei, Daten aus verschiedenen Quellen passend zusammenzuführen, um anschließend Erkenntnisse daraus abzuleiten. Dies können die oftmals erwähnten Kundenbedürfnisse sein, die Zufriedenheit mit dem Kundenerlebnis oder auch Prognosen zum künftigen Kundenverhalten.
Potenziale oft nicht ausgeschöpft
Diese Trendthemen werden die Unternehmen des Einzelhandels die kommenden Jahre begleiten. Dabei ist der Wandel bereits im Gange und die Unternehmen haben in unterschiedlicher Reife die verschiedenen Themen bereits aufgegriffen. Zugleich schöpfen viele Einzelhändler trotz großem Digitalisierungsengagement das Potenzial der verschiedenen Lösungen noch nicht aus.
Die Unternehmen können diese Punkte verbessern beziehungsweise positiv beeinflussen, indem sie den Fokus aus die Customer Experience entlang der gesamten Customer Journey über alle Kanäle hinweg legen.